
Velvet Voice Club • TEXTE ZUR KUNST
Ein Gespräch zwischen dem Journalisten Peter Laudenbach, der Künstlerin Cesy Leonard und Léontine Meijer-van Mensch, der Direktorin des Grassi Museums für Völkerkunde zu Leipzig.
Moderation: Antonia Kölbl und Anna Sinofzik
Sprache: Deutsch
Mit dem Erstarken rechter Kräfte in Europa und den USA geraten auch Kulturinstitutionen verstärkt unter den Druck politischer Gruppierungen, die staatlich geförderte Museen, Theater oder Erinnerungsstätten als wirkmächtiges Aktionsfeld ihres Kulturkampfes gegen eine progressive Gesellschaft begreifen. Die dafür symptomatischen aggressiven Attacken auf Kultureinrichtungen in Form anonymer Hassmails, Bomben- und Morddrohungen nehmen weiterhin stark zu. Als ein Bespiel für die Auswirkungen kulturpolitischer Repressionen, das Kulturschaffende weltweit empörte, ist der Rücktritt des langjährigen Museumsdirektors Manuel Borja-Villel zu nennen. Ihm wurde unter anderem von der rechtsgerichteten Presse vorgeworfen, mit seiner dekolonialen Sammlungspräsentation am Museo Reina Sofía einen „monolithischen ideologischen Diskurs“ zu verfolgen. Weniger Aufmerksamkeit erregen hingegen die fast täglichen Angriffe auf kleinere, lokale Kulturinstitutionen, die besonders stark auf öffentliche Mittel und Unterstützung angewiesen sind.
Das Titelthema der aktuellen TEXTE ZUR KUNST-Ausgabe – „Ohnmacht“ – aufgreifend und fortführend, widmet sich der Velvet Voice Club dieses Mal der Frage, inwieweit Kulturinstitutionen durch besagte Entwicklungen erzeugten Ohnmachtsgefühle auch als Impetus für die eigene Ermächtigung nutzen können. Welche Handlungsspielräume gibt es, um auf gewalttätige rechte Gruppen und politische Schikanen sowohl auf der kommunalen als auch auf Länderebene zu reagieren? Und wie lässt sich, diesen Widrigkeiten zum Trotz, eine inklusive, engagierte Kulturpolitik realisieren?
Peter Laudenbach ist Berliner Theaterkritiker der Süddeutschen Zeitung, schreibt regelmäßig in brand eins und ab und zu für die taz. Er hat Interviewbände mit Jonathan Meese, Frank Castorf und Alexander Kluge herausgegeben und im vergangenen Jahr gemeinsam mit Judith Muster und Kai Matthiessen ein Buch zur Organisationssoziologie veröffentlicht: Die Humanisierung der Organisation. Wier man dem Menschen gerecht wird, indem man den Grossteil seines Wesens ignoriert. Vor kurzem hat Peter Laudenbach im Verlag Klaus Wagenbach das Buch Volkstheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit veröffentlicht. Er arbeitete eng mit dem Kulturbündnis Die Vielen zusammen.
Cesy Leonard ist Künstlerin, Sprecherin und Gründerin von Radikale Töchter. Bis 2019 war sie Teil des künstlerischen Teams von Zentrum für Politische Schönheit, danach gründete sie Radikale Töchter. Cesy Leonard interessiert sich für die Gestaltung von Räumen, in denen der Wille zum politischen Engagement entsteht. Mit Radikale Töchter arbeitet sie an der Schnittstelle von Kunst, Politik und Bildung: Menschen werden durch Aktionskunst inspiriert, ins Handeln zu kommen, sich einzusetzen für Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.
Léontine Meijer-van Mensch ist seit Februar 2019 Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen – der Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden und Herrnhut, die im Jahr 2010 Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurden. Zuvor war sie Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, stellvertretende Direktorin des Museums europäischer Kulturen in Berlin und Dozentin für Museologie und museale Berufsethik an der Reinwardt-Akademie in Amsterdam. Sie ist in den Vorständen mehrerer internationaler Museumsorganisationen aktiv und war von 2010-2016 Präsidentin des International Committee for Collecting und von 2016-2020 Mitglied des Executive Board des International Council of Museums. Sie spricht regelmäßig als Gastdozentin bei verschiedenen Studienprogrammen zum Thema Kulturerbe in ganz Europa.
- 01:00Roter Salon
Ohnmacht