


Toter Salon
Lydia Haider paktiert erneut mit der Regisseurin Claudia Bossard und der Schauspielerin Anna Rieser mit einem Text aus Zertretung II, den sie ihrer Inszenierung vom Volkstheater Wien entleihen und für den Toten Salon neu in Szene setzen.
Der 02. Februar steht ganz im Zeichen der Seuche, an der sie sich abarbeiten und mit dem alten Text verflechten. Der Text ist eine Schimpftirade auf alles und im Speziellen, ganz in alter Adorno Manier, gegen den Jazz – und wendet sich nun der biblischen Plage zu, denn gegen die Seuche ist viel zu schimpfen.
Der Tote Salon ist eine Liturgie, eine Messe, zu der alle zwei Monate am letzten Freitag geladen wird und der immer mit neuen Unwägbarkeiten, Einflüssen und Gästen konfrontiert ist. Die zehn Plagen, eingereiht in fünf Folgen, leiten den Toten Salon an:
„so etwas wie in dieser sogenannten Liebe zur Weisheit ist überhaupt noch nie untergekommen in all meinen Lehr- und Lernjahren auf diesem erbärmlichen Menschenraum, der sich Menschheit genannt zu nennen versucht so eine wahre Niederträchtigkeit, Abart in der Anlage all seines Agierens, eine Vermessenheit, sich Orchidee zu nennen, einen Überstand, nichts Ausgefeiltes, Hingerotztes, Gemeingewusstes, ja da scheißt doch der Hund drauf, da wälzt sich die Sau in der Schwemme und verstehet mehr von Ästhetik als das philosophische Gesindel da kommt der Sandler daher und luxt ab und will dir mit Logik eher heran, als so eine Logikangelegenheit dieser Logikmenschen, dass die Geschichte oder Metaphysik oder Phänomenologie wie sie sich nennt zum Tode verurteilt vor jedem Jazztrompeter, vor jedem Jazzsänger steht und sich aufhängt, weil da etwas geschieht, was beide Genies sofort zum Strick greifen lässt, dass sie hängen von den Hallen wie dieses Porgy&Bess und dem Hiltonkack und all diesen Hütten von Handwerkern und verweilend und kreischend und kreisend nur um sich selbst und inhärent ohne jedweden Verweis auf ein Außen traurigst und so genussreich wie ein Wein, der nur Rausch bringt weiß jedes Kind nur wissen das die geschichtlichen und phänomenologischen und metaphysischen Jazzer nicht
wer wüsste denn das von den herumschiebenden Musikorgiasten, den Wichsern, den Nichtproduzenten, diesen Leiernden und nur herumtänzelnden Volldillos nicht
sie wissen schon, dass sie nur spielen und nichts sagen und auch nie sagen können, da sie keine Sprache sprechen mit ihren haha
da haben wir sie jetzt, die Arschlochinstrumente in ihren Händen, die vollgeschissen sind mit ihrem Geschweife und Gedudel so traurig, dass du dich gleich zu ihnen dazuhängen wolltest und auch solltest, so du anhängst einer solchen Sache, die sich auch noch Kunst zu nennen traut
da haut man denen auf die Finger weit ausholend und sagt dazu ein Nein
und wenn du ganz streng bist, dann haust du ihnen eigentlich viel gescheiter auf das lose Mundwerk hin, dieses nie gebildete und ungenaue, so schiefe Gerede aus deren Göschlein
edel sind sie ja
und wahr was kommet hervor aus der Jazzpersonen Mund so ehrlich und direkt, wie nur ihre Musik ist und sein kann, da sie sich legen auf und unter und mit ihr in ein Musikdrecksbett, dass die Musik selbst und uns alle mit ihr tötet hey so viel und groß und wo du einer Jazzperson gewahr wirst, sollst du die Hand ausstrecken und sollst diese Hand auf das Angesicht einer solchen Jazzgeburt hinfahren lassen, das Klatschen willst sagen Untertreibung ja das es peitscht natürlich so ganz natürlich das Blut wie ihre Umkehrung und Krebse und Tremoli, all die Wechsel so schnell in Takt und Harmonie wo du schaust, braucht es das für dein Leben und für dich und dass wir weiterkommen und Verhältnisse gezeigt und geklärt und Unterdrückung beendet und das Rad der Geschichte geht in eine andere Abzweigung zu nehmen freilich tun uns das alle die Jazzer
bereiten sie
tun das ganz und gar und wissen warum und bringen uns dahin, weil sie die ganz genaue Kunst machen und hochleben lassen ihre Fingerfertigkeit und damit beenden sie den Durst der Durstigen und mit ihrer Collage und dem eigenen Sound beheben sie den Hunger all der Hungernden, wie so viele sind so ausgehungert und gar und mergelt dich das aus, wenn sie spielen, spürst du nur ihre große Absicht, die ist, ein Haus zu bauen für dich, worin du bist, und alles ist gut, bist sicher in dem Haus, das sie dir fest und genau und zielecht bauen, wie nur der Jazz das kann, bist ganz drin im Haus und aus
KEINE Maus
Mäuse darin gibt es nicht never ever gab es die
und wird sie auch nie geben.“
Blut!
Geschmeiß!
Seuche!
Hagel und Finsternis!
Tod aller Erstgeborenen!
Denen werden sich Lydia Haider und unterschiedliche Kompliz:innen aussetzen, wie Sophia Süßmilch, Toxische Pommes und weitere – sie werden sie ausschöpfen, ausbeuten, ausüben und zu ihnen werden. Der Tote Salon schickt die Plagen!
Zu denken ist der Tote Salon als Aufforderung an alle Kunstsparten und -formen, sich zu erweitern und Grenzen zu hinterfragen, das Bisherige zu begraben und sich neu zu entwerfen. Desgleichen wird ans Publikum delegiert.
- 20:00Roter Salon
Toter Salon
Lydia Haider
Mit: Claudia Bossard, Anna Rieser