Three Days to Liberation II
Mit: Fatemeh Karimi, Somayeh Rostampour
Moderation: Firoozeh Farvardin
Zuhören: nicht als abstrakte Analyse, sondern als geformte Erfahrung, in Körpern, Listen, Liedern und verbrannten Archiven verankert. Wer zuhört, tritt in ein Feld von Praxis und Widerstand, von Erleben und Denken zugleich.
Fatemeh Karimi erzählt die Geschichte der Frauen in Komala – einer linken kurdischen Bewegung, die im Iran der 1970er Jahre entstand – nicht als heroisches Narrativ der Uniformen, sondern als komplexe Praxis, in der kämpfen, pflegen, organisieren und theoretisieren zusammenfielen. Die Kämpferinnen von Komala waren Pionierinnen einer Form politischer Teilhabe, die Frauen als vollgültige Subjekte des Widerstands anerkannte und damit früh Formen weiblicher politischer Praxis begründeten. Ihre Arbeit verortet Komala im politischen Kontext der Revolution von 1979 und ihrer Folgen – als ein Kapitel, das die Notwendigkeit kritischer Reflexion über Geschlechterverhältnisse im Iran und in Kurdistan sichtbar macht.
Somayeh Rostampour führt uns in einen anderen, doch verwandten Ort: in die Denkwerkstatt der jineolojî, jener kurdischen „Wissenschaft der Frau“, die aus der Praxis demokratischer Selbstverwaltung und weiblicher Organisierung hervorgeht. Jineolojî ist weniger ein geschlossenes Theoriegebäude als ein offenes Feld im Werden – ein Versuch, Wissen zu dekolonisieren, Hierarchien zu hinterfragen und ein epistemisches Vokabular für Leben und Sorge zu schaffen. Zugleich bleibt sie umstritten: Rostampour zeigt die Spannungen zwischen akademischer Kritik und jineologischen Praxen, die Frage nach Legitimation und den Grenzen einer Theorie, die aus dem Kämpfen selbst hervorgegangen ist. Beide konfrontieren uns mit der Radikalität des Faktischen: dass Frauen in bewaffneten Bewegungen nicht als Anhängsel politischer Prozesse, sondern als Schöpferinnen von Wissen über Körper, Mobilität, Sorgearbeit und kollektive Organisation agierten. Dieses Wissen ist kein Theorem; es ist Material: Protokolle, Lieder, Entscheidungswege, Trauerlisten.
Für uns hier, in einem kleinen, verletzlichen Raum des Austauschs, heißt das: vorsichtig übersetzen, nicht um zu erklären, sondern um zu bewahren. Feministisches Wissen als lebendige Praxis – historisch verankert und gegenwärtig wirkend. Ein Erinnern, das benennt und offenhält. Ein Wissen, das zugleich Widerstand und Theorie ist.
Text: Maryam Palizban
Dieses Panel bringt drei Forscherinnen zusammen, die sich mit den Verflechtungen von Geschlecht, Macht und Widerstand im Iran und Kurdistan auseinandersetzen. Im Mittelpunkt
stehen die Bücher Women of Komala: Gender and Revolution in Iranian Kurdistan von Fatemeh Karimi (englische Ausgabe 2025) und Femmes en armes, savoirs en révolte: Du militantisme kurde à la jineolojî von Somayeh Rostampour (französische Ausgabe 2025).
Gemeinsam mit Firoozeh Farvardin diskutieren die Teilnehmerinnen, wie wissenschaftliche Arbeit zu einem Ort des Widerstands werden kann: gegen Vergessen, gegen politische und epistemische Gewalt. Das Panel lädt dazu ein, den Raum zwischen Theorie und Erfahrung, zwischen politischem Denken und gelebter Geschichte zu erkunden: als Stimme und Wissen im Aufstand.
Fatemeh Karimi ist Aktivistin und kurdische Forscherin aus dem Iran. Sie promovierte in Soziologie an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris. Seit 2007 widmet sie sich der Erforschung kurdischer Frauen im Iran, insbesondere an der Schnittstelle von Geschlecht und Ethnizität. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichte sie in Farsi, Französisch und Englisch, unter anderem zu weiblicher Genitalverstümmelung (2010), Polygamie (2014) und politischer Partizipation kurdischer Frauen in den 1980er Jahren (2022/2025). Neben ihrer Forschung arbeitet sie auch als Sozialarbeiterin.
Somayeh Rostampour ist Feministische Forscherin und promovierte Soziologin an der Universität Paris 8. Sie spezialisiert sich auf soziale Bewegungen, Gender-Fragen und Minderheitenrechte mit einem besonderen Fokus auf Kurdistan, die Türkei und den Iran. Ihre Forschung untersucht die Entwicklung und Verbreitung von Theorien und Praktiken in feministischen und revolutionären Kontexten des Globalen Südens, insbesondere im Nahen Osten. Sie veröffentlichte 2025 ihr Buch Women in Arms, Knowledge in Revolt und hat in den letzten Jahren als Hochschuldozentin sowie als feministisch-kurdische Aktivistin gearbeitet.
Firoozeh Farvardin ist Soziologin und Forscherin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, spezialisiert auf Politik und Gender im Kontext des autoritären Neoliberalismus. Ihre Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchte den Wandel von Staats- und Familienpolitik im modernen Iran. Zuvor war sie Postdoc-Stipendiatin der International Research Group on Authoritarianism and Counter-Strategies (IRGAC) der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Teil der Forschungsgruppe Naher Osten (MERGE) am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM). Ihre Arbeit verknüpft theoretische Schärfe mit einer tiefen Auseinandersetzung über Körper, Gender und Widerstand im Globalen Süden.
Panel: engl. Sprache & Farsi mit engl. Übersetzung
Teil des Programms von:
3 DAYS TO LIBERATION II
12.–14. Dezember 2025
Konzipiert & kuratiert von Maryam Palizban
Präsentiert von CONSTANZA MACRAS / DORKY PARK

- 17.30Grüner Salon
Three Days to Liberation II
Kurdish Women – Gender, Resistance and Revolutionary Knowledge | Mit: Somayeh Rostampour, Fatemeh Karimi | Moderation: Firoozeh FarvardinPanel