Foto © Georgina Cora Puttick

P14 – Vom Gewebe der Zeit oder die Angst davor zu begreifen, dass es im Leben um nichts geht

Von Luna Zscharnt

TOD

Ich denke an all die Fragen, die ich dir noch
hätte stellen sollen, die mir unweigerlich erst
jetzt, wo du tot bist, in den Kopf kommen könnten, da ich erst jetzt, wo du tot bist, weiß, wie es ist, wenn du aufhörst, zu existieren.
Oft genug habe ich mir dieses Szenario vorgestellt, doch egal wie fest ich die Augenlider
aufeinander gedrückt habe, um das „ist“ zu
verdrängen, um um mich herum die Situation
deines nicht Seins zu erschaffen, es ist mir nie
gelungen. Ich konnte nie fühlen, wie es ist,
wenn du nicht bist.
Nun bist du nicht und ich weiß genau, wie sich
das anfühlt und egal wie sehr ich nun die Augen zukneife, kann mir nun nicht mehr vorstellen, wie es ist, das noch nicht zu wissen.
Vielleicht bin ich einfach kein sehr kreativer,
kein sehr intelligenter Mensch.
Was ich sagen will, du fehlst mir, mit jeder Zigarette, die ich rauche. Deshalb habe ich auch aufgehört zu rauchen, weißt du?
Ich dachte, dann würde ich dich nicht so sehr
vermissen, allerdings hat sich das Gefühl inzwischen wie ein mit Sekundenkleber befestigter Teppich an meine Fußsohlen geheftet. Er macht das Gehen schwer. Das Fortbewegen ist mir seit deinem Tod nicht mehr möglich.
Wenn ich mich fortbewege, dann gehe ich ja
von der letzten Stelle, auf der wir gemeinsam
gestanden haben.
Also bleibe ich und rolle die letzte Zigarette in
meiner Hand hin und her. Wäge ab. Komm,
eine noch. Damit die Luft wenigstens ein bisschen nach dir riecht.
Eine noch, dann lass ich dich auch gehen.
So gut kannten wir uns ja gar nicht und plötzlich ist es mir ein bisschen peinlich, wie sehr ich dich vermisse. Die Zigarette fällt zu Boden auf den nassen Asphalt. Passenderweise regnet es.
Damit ist die Entscheidung getroffen. Ich werfe
die Zigarette in den Müll und der Moment ist vorbei. Ohne, dass ich mich von der Stelle bewegt hab, bist du gegangen.

Vielen Dank an Fee Aviv Dubois und Alexander Scheer für die Interpretation von Lacrimosa, an Kristin Suckow für den Workshop und Clara Palmowski für das Schreiben des Totenlieds.

Mit
Lilith Ehrsam, Asena Ersöz, Emma Garde, Emma König, Lilli Rittner, Karol Satola, Anima Schwinn
Text & Regie
Luna Zscharnt
Bühne
Frida Caldwell, Selma Schulte-Frohlinde
Kostüme
Pia Schacht, Mirjam Schulze
Live-Kamera
Moe Schroth, Insa Ewen
live-videoschnitt
Emma Heymann
Video
Emil Benedict, Nicolas Keil
Ton
Franca Weigert
Soufflage
Frieda Ramlow
Technische Leitung
Amelie Boitz, Veit Mahnert
p14---leitung
Vanessa Unzalu Troya
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