






MiniMe
Von Kata WéberZehn Lektionen in Unterwerfung
Zuhause ist für die zehnjährige Mini kein sicherer Ort. Ihr Elternhaus ist ein durchlässiges Gefüge aus Sehnsucht, Kalkül und schnellem W-LAN. Ein toxisches Dreieck: Es beschützt nicht, sondern es besetzt. Es macht nicht stark, sondern verstärkt. Die Brutalität der Konkurrenz- und Optimierungsgesellschaft findet ungehindert ihren Weg aufs Familiensofa. Und trifft dort das Verletzlichste: das Kind mit seinem Recht auf eine offene Zukunft.
„Das Phänomen ‚MiniMe‘ ist für mich präziser Ausdruck einer Machtstruktur. Natürlich ist es nicht möglich, dass jemand eine Mini-Version von jemand anderem wird. In unserem Film Pieces of A Woman wollte ich die Frage stellen: Wem gehört der weibliche Körper? Hier möchte ich fragen: Wem gehört die nächste Generation? Diese Familiengeschichte ist ein Modell für etwas Größeres, über das ich nachdenken wollte. Einem Kind das Kindsein zu nehmen, ist für mich der größte Übergriff, den ein Elternteil oder eine Gesellschaft oder eine Politik begehen kann. Ich finde interessant, dass die Grenzen so unklar sind. Wir alle fühlen uns berechtigt, in das Privatleben anderer einzudringen, es zu kritisieren und uns gegenseitig zu etikettieren. Wenn ein Kind in einer dysfunktionalen Familie lebt, in der Grenzen überschritten werden, wird es nicht geschützt, sondern durchlässig für die Perspektivierung von außen. Ich denke, je mehr wir uns von unseren Algorithmen labeln lassen, desto mehr verlieren wir, wer wir sein könnten.“ (Kata Wéber)
Die Autorin Kata Wéber und den Regisseur Kornél Mundruczó verbindet eine langjährige gemeinsame Theater- und Filmpraxis: In Koproduktion mit diversen europäischen Theatern und Festivals arbeiteten sie für das von Mundruczó gegründete, freie ungarische Kollektiv Proton-Theater (Dementia, Imitation of Life oder Evolution). Ihre filmische Zusammenarbeit startete mit Underdog (2014) und führte sie zum internationalen Erfolg ihres ersten englischsprachigen Spielfilms Pieces of a Woman (2020), der viel beachtet bei den Filmfestspielen in Venedig und beim Toronto International Filmfestival vorgestellt und in das Programm von Netflix aufgenommen wurde. Die Hauptrollen spielen Shia La Beouf und Vanessa Kirby, die für ihre darstellerische Leistung u.a. für den Oscar 2021 nominiert wurde. Mit der Uraufführung von MiniMe – das in die Serie der Mikroportraits Imitation of Life und Pieces of a Woman gehört – erarbeiten Wéber und Mundruczó an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ihre erste Theaterinszenierung in Berlin. Dabei schaffen sie eine Art Hyperrealismus, bei dem verschiedene fiktionale Genres in das klassische Storytelling einbrechen.
„Cruelty is a drug (…), and it’s all around us”
Tennessee Williams
Deutsch mit englischen Übertiteln