
Leichtes Unbehagen
Leichtes Unbehagen ist eine zusammen mit Rosemarie Trockel gestaltete Textsammlung, deren Texte um das Verhältnis von Menschen und anderen Tieren in der Gestalt kreisen, wie es die ersten Sätze der Einleitung zum 2. Band vorführen:
„Die Hände in den Hosentaschen, die Weinflasche auf dem Tisch, halb liegend, halb im Schaukelstuhl sitzend, schaute der Affe aus dem Fenster und wunderte sich schon nicht mehr. Der Affe stammte von der Goldküste und hatte dort wohl ein freies Leben geführt, bevor er von einer Jagdexpedition der Firma Hagenbeck eingefangen worden war, um ihn im Hagenbeckschen Tierpark auszustellen. Auf dem Weg von der Küste in den Tierpark war dem Affen sein Affentum zu einer nur noch verschwommenen Erinnerung geronnen. Dafür hatte er eine existentielle neue Erfahrung gemacht. Er hatte die Menschenfreiheit kennengelernt und ihr Wahrzeichen: die „selbstherrliche Bewegung“. Eine Bewegung, die dem Affen in ihrer Lächerlichkeit so einging, dass er diese Form der Freiheit lieber nicht haben wollte. Und was Kafka den Affen dann noch erzählen lässt, gibt eine erste präzise Vorschau auf das, was den Menschenaffen viel später in den Laboren der Wissenschaft geschehen sollte. Denn als „Ein Bericht für eine Akademie“ im Oktober 1917 in der von Martin Buber herausgegebenen Zeitschrift „Der Jude“ erschien, hatte man zwar auf Teneriffa schon Schimpansen eine Banane zu hoch in ihren Käfig gehängt, aber die systematische wissenschaftliche Ausbeutung der Menschenaffen war noch Zukunft. Eine Zukunft aber, die schon in diesen Jahren mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den I. Weltkrieg begonnen hatte. Denn die moderne Primatologie beginnt wesentlich in Nordamerika mit der Suche nach einem Tiermodell für die Erforschung von damals sogenannten Kriegspsychosen. Wenn man das heute weiß, wird Kafkas Affenbericht zu etwas, das Sigmund Freud als „unheimlich“ bezeichnet hätte.“
Cord Riechelmann ist Biologe, Philosoph, Autor und Dozent an der Universität der Künste Berlin. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit umfasst unter anderem das soziale Verhalten von Primaten und die Geschichte der biologischen Forschung. Er schreibt regelmäßig für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung, taz und Süddeutsche Zeitung. Als Buchautor hat er unter anderem das Werk Krähen (2013) veröffentlicht, das Teil der Reihe „Naturkunden“ ist, sowie den Roman Wilde Tiere in der Großstadt (2013).
Es gibt für diese Veranstaltung nur Tickets an der Abendkasse – direkt im Pavillon! Falls der Betrag eure finanziellen Möglichkeiten übersteigt, wendet euch bitte vor Ort im Pavillon persönlich an uns. (10€/7€)
Einlass mit Bar ab 18 Uhr.
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- 19:00Sternschuppen
Leichtes Unbehagen
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