Foto © Ufuk Çelik

Gefühle am Ende der Welt

Ach, Deutschland.

Ist Deutschland ein Gefühl? Wenn ja, lässt es sich wohl nur in einem Seufzer ausdrücken. Als Gefühl der Gegenwart ist Deutschland besorgniserregend, unverbesserlich und doch irgendwie solide. Es befindet sich auf einem Holzweg, wobei es Dissens gibt, auf welchem genau. Es tut sich schwer – das hat es immer getan. Das Land der Bedenkenträger und Weltmeister der Erinnerungskultur rauscht seit ein paar Jahren von einer Unmöglichkeit zur nächsten und büßt dabei nicht zuletzt diese beiden Auszeichnungen ein. Ausgehend von der Anforderung, sich zusammenzureißen, beansprucht Deutschland seit seinem Bestehen eine Autorität der Vernunft, die das Gefühl möglichst ausschließen soll und es dabei an ungewollter Stelle gerade einlädt. Deutschland, so könnte man diagnostizieren, bewegt sich seit der emotionalen Maximalregulation der Merkeljahre allmählich in einen Zustand der Psychose. Es mag sich selbst zwischen Waffenlieferungen, Sozialabbau und Heuchelei nicht wiedererkennen. Was das Land, das niemals eines sein sollte, eigentlich für Gefühle evoziert, lässt in der Gegenwart also überraschende Erkenntnisse zu.

Diedrich Diederichsen ist Autor & Essayist, Kulturwissenschaftler, Kurator, Journalist und einer der wichtigsten Poptheoretiker unserer Zeit. Er war in den 1980er Jahren Redakteur und Herausgeber von den Musikzeitschriften Sounds und Spex und in den 90ern Hochschullehrer als Gastprofessor oder Lehrbeauftragter u. a. in Pasadena, Offenbach, München, Weimar, Gießen, Gainesville, Florida, St. Louis, Los Angeles. Von 1998 bis 2007 war er Professor an der Merz-Akademie, Stuttgart, von 2006 bis 2024 Professor für Theorie, Praxis und Vermittlung von Gegenwartskunst am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste in Wien. Zuletzt erschien sein umfangreicher Essayband Das 21. Jahrhundert bei Kiepenheuer & Witsch.

Behzad Karim Khani wurde 1977 in Teheran geboren. 1987 emigrierte seine Familie ins deutsche Exil.  Karim Khani studierte an der Ruhr-Universität Bochum Kunstgeschichte und Medienwissenschaft. Seit 2003 lebt er in Berlin-Kreuzberg, wo er als Romancier, freier Journalist und Drehbuchautor arbeitet. Er ist Kolumnist der Berliner Zeitung und Mitherausgeber des wieder erscheinenden Blatts Die Weltbühne.  2022 erschien sein preisgekrönter Roman Hund, Wolf, Schakal bei Hanser Berlin. Zwei Jahre darauf folgte sein zweites Werk Als wir Schwäne waren, welches ebenfalls große Beachtung fand.

Mai
30
Fr
  • 20:00
    Roter Salon

    Gefühle am Ende der Welt

    Mit: Diedrich Diederichsen & Behzad Karim Khani
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