Foto © Ufuk Çelik

Gefühle am Ende der Welt

Jede:r Bürger:in eines Staates, der seine Angelegenheiten durch Verwaltungsstrukturen regelt, macht zuweilen die Erfahrung, dass Bürokratie Aufforderungen und Zwänge mit sich bringt, deren Urheber nicht mehr festzustellen ist. Nichts evoziert so verlässlich Frustration wie diese „Herrschaft des Niemand“. Hannah Arendt prägte diese Bezeichnung, um auf die Gefahr eines Outsourcings von Macht und ein falsches Vertrauen in ein vorhandenes Regelwerk hinzuweisen. Tatsächlich bedeutet Bürokratie für eine Demokratie gleichzeitig eine Bedrohung und ein Versprechen: Das Versprechen der „Utopie der Regeln“ (Graeber) ist darauf aus, menschliches Versagen als Fehlerquelle im sozialen Zusammenleben möglichst zu eliminieren und Gleichheit zu garantieren. Aber jeder weiß, dass die Verselbständigung von Bürokratie nicht nur Rettung der regelbasierten Ordnung ist, sondern häufig auch eine Sabotage der Urteils- und Entscheidungskraft des Einzelnen, die einen bisweilen bis in den Wahnsinn treiben kann. Auch das Versprechen auf Gleichheit wird durch die ungleich erlebten organisatorischen Herausforderungen im Dschungel der Bürokratie konterkariert. Gerade im Scheitern an ihr wird Ungleichheit sichtbarer als sonst. Welche Bürokratie ist also angemessen angesichts der menschlichen Schwäche?

Dezember
15
So
  • 18:00
    Roter Salon

    Gefühle am Ende der Welt

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